Blog

Wie wohnt man altersgerecht?

Ernst Ensslin, Jahrgang 1945, hat sich das möglichst lange selbstständige und selbstbestimmte Wohnen zum Ziel gemacht. Seit vielen Jahren engagiert sich Ernst deshalb aktiv in einer gemeinnützigen Genossenschaft für Wohnen im Alter.

Aufgrund der krankheitsbedingten Gangunsicherheit seiner Frau und den zunehmenden Stürzen, wurde das Thema «alters- und behindertengerechtes Wohnen» für Ernst noch wichtiger.

Im folgenden Interview teilt Ernst sein über die Jahre gesammeltes Wissen und seine Erfahrungen zum Thema altersgerechtes Wohnen und zeigt auf, wie dieses viele verschiedene Formen annehmen kann, bei denen es oft auf Details ankommt.

Was bedeutet “altersgerechtes” Wohnen?

Altersgerechtes Wohnen heisst, die Wohnumgebung so zu gestalten, dass diese zum jeweiligen Lebensbereich passt. Dies fängt beim der Umgebung und der Einrichtung ein und geht von der Haushaltführung über administrative Hilfen bis hin zur Pflege – immer nach dem Grundsatz „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Eine entscheidende Rolle spielen die sozialen Aspekte. Menschen möchten gern selbstständig wohnen, jedoch in einer Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Sie möchten nicht isoliert sein und wünschen sich ein Gefühl der Sicherheit. Auch dies gehört zum altersgerechten Wohnen dazu.

Welche Arten des altersgerechten Wohnens gibt es?

Die Spannweite und Angebote sind sehr breit. Es gibt Angebote für Personen, die in einer baulich altersgerechten Wohnung selbstständig leben und ambulante Unterstützung beziehen, beispielsweise von der Spitex. Zum anderen gibt es zahlreiche Wohnangebote, die beispielsweise an ein Heim angeschlossen sind, in denen die Bewohner 24 Stunden am Tag pflegerisch betreut werden.

Dazwischen entwickelten sich verschiedenste Formen des Wohnens. Diese gehen von der baulich altersgerechten Wohnung mit niederschwelligem Begleit- und Betreuungsangebot vor Ort bis hin zu Senioren-WGs. Auch gibt es Pflegewohngruppen, in denen die Bewohner jeweils ein separates Schlafzimmer und eine eigene Nasszelle haben, sie sich jedoch Wohnzimmer und Küche miteinander teilen. In den Wohngruppen ist tagsüber auch eine Betreuungsperson anwesend – in einigen Fällen sogar rund um die Uhr.

Wie ändern sich die Bedürfnisse im Alter in Bezug auf die Wohnverhältnisse?

Die Lage der Wohnung oder des Hauses wird wichtiger. Mit zunehmendem Alter achten Personen auf gut erreichbare Einkaufsmöglichkeiten, ÖV, Restaurants, aber auch die Nähe zu medizinischer Versorgung. Für viele Menschen ist es zudem wichtig, dass sie in der Nachbarschaft oder näheren Umgebung die Möglichkeit haben, soziale Kontakte zu pflegen.

Auch die Bedürfnisse in Bezug auf die Grösse der Wohnung oder des Hauses ändern sich. Mit fortschreitendem Alter und meist einhergehender sinkender Mobilität, wächst das Bedürfnis nach mehr Bewegungsfreiraum zuhause. Dies bezieht sich unter anderem auf breitere Korridore oder den Platz rund um das Bett. Denn wenn beispielsweise eine Gehhilfe benutzt wird, benötigt die Person entsprechend Platz und Barrierefreiheit. Dafür können die Sitzbereiche im Wohnzimmer tendenziell kleiner ausfallen.

Das Bedürfnis nach Sicherheit steigt mit zunehmendem Alter ebenfalls. Gleichzeitig möchten Senioren auch weiterhin ihren alltäglichen Aktivitäten zuhause nachgehen, ohne dabei auf andere Personen angewiesen zu sein. Eine barrierefreie  Wohnumgebung kann diese beiden Bedürfnisse durchaus vereinen und ein sicheres und autonomes Leben bis ins hohe Alter ermöglichen.

Was gibt es bei der Inneneinrichtung zu beachten?

Ich empfehle Handläufe und Handgriffe in Duschen und WCs. Zudem erleichtern breitere (Schiebe-)Türen das Gehen mit Gehhilfen zuhause.

Da leider das Sehvermögen mit zunehmendem Alter abnimmt, sind blendfreies Licht und gut erreichbare Schalter wichtig. Automatische Lichtschalter, wie beispielsweise Nachtlichter, gewinnen ebenfalls an Bedeutung.

In den Nassbereichen besteht erhöhte Rutschgefahr durch Steinböden. Im Fachhandel gibt es spezielle Antirutschlösungen, die aufgetragen werden und somit die Rutschgefahr verringern. Diese Lösungen sind kaum sichtbar und bieten für mehrere Jahre eine verbesserte Haftung. Sie sind übrigens auch im Aussenbereich anwendbar, zum Beispiel auf dem Balkon.

Für den Fall, dass sich die Person mit einem Rollstuhl fortbewegt, sollten sich Schalter und Steckdosen in einer leicht zu erreichenden Höhe befinden. Ebenfalls sollten Schalter genügend Abstand zu den Zimmerecken haben oder sogar mit einer Fernbedienung bedient werden können. Solche ergonomischen Bedürfnisse sollten auch für eine hindernisfreie Benutzung des Backofens, Kühlschranks oder Lavabos berücksichtigt werden.

Die Einrichtungsmöglichkeiten sind sehr vielfältig und die Bedürfnisse und Wünsche von Mensch zu Mensch ganz verschieden. In allen Fällen ist die oberste Priorität, dass sich die Bewohner sicher und uneingeschränkt in ihrer Wohnumgebung bewegen können.

An welche Stelle können sich Interessenten bezüglich der Planung oder Suche nach einer altersgerechten Wohnung wenden?

Was die Planung angeht, empfehle ich die Norm SIA 500 „hindernisfreie Bauten“ anzuschauen. Darüber hinaus gibt es vom BWO Bundesamt für Wohnungswesen sowie der Fachstelle für hindernisfreie Bauten oder auch dem Verein LEA Hilfe und Informationen.

Pro Senectute bietet zudem persönliche Beratungen zum Wohnen im Alter an, Auch sind über die Age Stiftung zahlreiche Publikationen zu diesem Thema verfügbar. Es gibt aber auch lokale Anlaufstellen der Gemeinden, die zu diesem Thema Auskunft geben können.

Was kann man unternehmen, um das Unfallrisiko zuhause zu verringern?

Ich empfehle, dass Angehörige zusammen mit der Bewohnerin oder dem Bewohner die bestehende Wohnumgebung kritisch betrachten und Stolperfallen identifizieren. Diese sollten wenn möglich entweder entfernt werden oder so fixiert werden, dass sie keine potentielle Stolpergefahr darstellen. Dies betrifft Teppiche, Kabel oder Hindernisse wie lose Einrichtungsgegenstände, wie beispielsweise einen Schemel oder Schirmständer.

Ausreichend Tageslicht und eine gute Beleuchtung sind essenziell für die Sicherheit zuhause. Beispielsweise wird durch Gardinen aus dünnem Stoff der Wohnbereich auf natürliche Weise heller, da sie mehr Licht hereinlassen als schwere Vorhänge. Für Personen, die nachts öfter das Bett verlassen, empfehle ich auch den Einsatz einer Boden- oder Treppenbeleuchtung. Hierfür bieten sich zum Beispiel selbstklebende LED-Streifen an, welche die Orientierung im Dunkeln einfacher machen.

Welche anderen Präventivmassnahmen empfehlen Sie?

Regelmässiges Training, um die Beweglichkeit, Reaktion, Gleichgewicht und Kraft in Schwung zu halten, dient nicht nur zur Sturzprävention, sondern steigert auch das allgemeine geistige und körperliche Wohlbefinden. Es muss nicht gleich ein Hochleistungstraining sein, aber ein Spaziergang an der frischen Luft ist ein guter Anfang, um in Bewegung zu bleiben. Dies empfehle ich übrigens für alle Altersgruppen.

Wie initiiert man am besten das Thema des altersgerechten Wohnens im sozialen Umfeld?

Das eigene Altwerden vorauszudenken und die entsprechenden Schritte vorzubereiten ist oft ein komplexer Prozess, welcher viel Einfühlvermögen erfordert. Deshalb finde ich, sollte das Thema möglichst sachte und positiv angeschnitten werden, sodass sich das Gegenüber verstanden fühlt. Denn es gibt zahlreiche Wohnformen, die nicht unterschiedlicher sein können, wie die Bewohner selbst. Deshalb ist gerade bei diesem Thema der Dialog und Austausch sehr wichtig, um die Bedürfnisse dementsprechend abholen zu können.


 

Wir haben für Sie einige hilfreiche Links zusammengefasst, unter denen Sie ausführliche Informationen zum altersgerechten Wohnen finden:

Bundesamt für Wohnungswesen: https://www.bwo.admin.ch/bwo/de/home/wie-wir-wohnen/alter.html

Hindernisfreie Architektur – Die Schweizer Fachstelle: https://hindernisfreie-architektur.ch/

Verein LEA: https://www.lea-label.ch/de/

Pro Senectute: https://www.prosenectute.ch/de.html

Age Stiftung: https://www.age-stiftung.ch/